Dieser Blogbeitrag ist aus aktuellem Anlass entstanden – ausgelöst durch persönliche Erfahrungen mit unterschwelliger Gängelei im Klinikalltag, die mich nachdenklich gemacht haben.
Du sitzt da. Vielleicht krank, vielleicht geschwächt – und auf jeden Fall in einer Situation, in der du auf andere angewiesen bist. Es könnte ein Krankenhaus sein, eine Reha, eine Pflegeeinrichtung oder einfach nur eine Arztpraxis. Und dann steht sie da: eine Krankenschwester. Kompetent? Sicher. Engagiert? Vielleicht. Doch irgendetwas fühlt sich komisch an. Ihre Worte sind knapp. Ihr Blick kalt. Ihre Haltung: überlegen. Und du? Spürst, dass du am kürzeren Hebel sitzt.
Willkommen in einer Dynamik, die viele kennen – aber nur wenige offen ansprechen.
Wenn Fürsorge zur Kontrolle wird
Ich möchte hier nicht pauschalisieren. Es gibt so viele wunderbare Pflegekräfte, die über ihre Grenzen hinausgehen, um Gutes zu tun. Doch es gibt auch die anderen. Diejenigen, die ihre Machtposition ausspielen. Die Gängelei als Werkzeug nutzen. Nicht offen, nicht laut – sondern subtil. Zwischen den Zeilen. Zwischen den Handgriffen. Zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was unausgesprochen mitschwingt.
Und genau darüber möchte ich heute mit dir sprechen. Als Personal Coach. Und als jemand, der Menschen auf Augenhöhe begegnen will – auch, wenn sie gerade schwach sind.
Der längere Hebel – ein gefährliches Werkzeug
Macht ist nichts Schlechtes. Aber wie jede Kraft will sie bewusst eingesetzt werden. Wenn du als Patient*in auf Unterstützung angewiesen bist, begibst du dich freiwillig in eine gewisse Abhängigkeit. Das ist normal. Und es darf auch so sein. Doch wenn diese Abhängigkeit ausgenutzt wird – etwa durch spitze Bemerkungen, gezielte Verzögerungen, abwertende Tonfälle oder das bewusste Ignorieren von Bedürfnissen – dann spricht man von struktureller Übergriffigkeit.
Und das ist nicht nur unprofessionell – es ist verletzend.
Vielleicht kennst du das Gefühl: Du willst gar nicht aufmucken. Du willst dich nicht beschweren. Du bist ruhig, höflich, zugewandt – doch gerade das wird gegen dich verwendet. So, als sei dein „Liebsein“ eine Einladung, dich zu übergehen.
Warum manche das tun
Was bringt Menschen dazu, ihre Position so auszunutzen?
- Eigene Ohnmacht: Wer sich im Alltag oft selbst ohnmächtig fühlt, sucht manchmal unterbewusst nach Momenten, in denen er sich mächtig fühlen kann. Leider manchmal auf Kosten anderer.
- Routine-Verlust der Empathie: Im Dauereinsatz stumpfen viele ab. Wer täglich Schmerz und Leid sieht, kann innerlich verkrusten. Empathie wird dann zur Ausnahme – nicht zur Regel.
- Mangel an Reflexion: Viele bemerken nicht, wie sie wirken. Oder sie glauben sogar, sie seien besonders professionell – weil sie „nüchtern und sachlich“ agieren. In Wahrheit fehlt es an echtem Kontakt.
Was du tun kannst, ohne dich zu verbiegen
Du hast nicht in der Hand, wie andere Menschen mit dir umgehen. Aber du hast immer in der Hand, wie du darauf reagierst – und wie du dich innerlich sortierst. Hier ein paar Impulse, die dir helfen können:
- Erkenne die Dynamik
Allein das Bewusstsein darüber, dass du in eine Machtspirale geraten bist, hilft dir, innerlich nicht daran zu zerbrechen. Du bist nicht empfindlich – du bist achtsam. - Bleib freundlich, aber klar
Du musst nicht ausflippen. Aber du darfst sehr wohl sagen: „Ich merke gerade, dass ich mich nicht gesehen fühle.“ Oder: „Mir ist ein respektvoller Umgang wichtig.“ - Notiere dir Vorfälle
Wenn du das Gefühl hast, dass die Gängelei systematisch ist, hilft ein Protokoll. Nicht als Drohung, sondern als Selbstschutz und Klarheit. - Hol dir Unterstützung
Ob durch Angehörige, einen Patientenfürsprecher oder eine Vertrauensperson – du musst da nicht alleine durch. - Arbeite innerlich mit dem Gefühl
Wenn du dich klein gemacht fühlst, frage dich: Was genau hat mich getroffen? Warum? Was brauche ich, um mich innerlich wieder aufzurichten?
Du bist nicht zu sensibel – du bist wach
In einer Welt, in der Effizienz oft vor Menschlichkeit steht, brauchen wir Menschen, die ihre innere Würde nicht verlieren. Auch nicht im Krankenbett. Auch nicht, wenn sie gerade „auf Hilfe angewiesen“ sind. Du darfst Respekt erwarten. Du darfst ihn einfordern. Und du darfst dich innerlich davon abgrenzen, wenn er dir nicht entgegengebracht wird.
Denn wahre Stärke zeigt sich nicht im Herrschen – sondern im würdevollen Umgang miteinander.